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Los Angeles, USA: „Es könnte die beste Fahrradstadt der Welt sein“

Es tut sich was in Hollywood. Cargo-Bikes sind in L. A. noch ein seltener Anblick, aber eine kleine Gruppe weiß nun zu schätzen, wie gut es sich anfühlt, nicht mehr im Stau zu stehen. Ganz vorne mit dabei: Michael Schneider mit seinem Load 75.

Alle Fotos: © Michael Schneider

Hallo Michael, Du bist vor kurzem mit dem Rad zum LAX, dem Los Angeles International Airport, gefahren – mit einem Cargo-Bike, Gepäck und drei Kindern. Wie war‘s?
Einfach toll. Die Kinder haben sich weder beschwert noch wurde ihnen schlecht, wie manchmal im Auto. Mein 2-Jähriger hat sogar ein Nickerchen gemacht. Wir waren an der frischen Luft und konnten uns vor dem Flug noch ein bisschen bewegen. Das war großartig.

Wie lange habt Ihr gebraucht?
Von Tür zu Tür nur eine knappe Stunde. Wir leben in der Nähe von West Hollywood. Mit dem Auto wären wir zwar ungefähr 15 Minuten schneller gewesen, aber im Stau vor Ort und bei der Parkplatzsuche hätten wir dann wieder sehr viel Zeit verloren.

Mit einem Cargo-Bike Kinder und Gepäck zu transportieren, war sicher eine Herausforderung. Wie hast Du das hingekriegt?
Herausforderung ist das richtige Wort. Meine drei Kinder saßen vorn im Load 75, und hinten hatte ich einen Burley-Anhänger, auf dem ein großer Koffer und ein Autositz verschnürt waren. Trotz der Länge konnte ich noch gut lenken. Meine Frau hatte auch ein E-Bike mit einem Anhänger und einer Reisetasche darauf. Am Flughafen hat es ein bisschen länger gedauert, weil ich alles auseinanderbauen und zusammenschließen musste. Ich hatte auch eine Abdeckung dabei, obwohl mir am LAX noch nie etwas gestohlen wurde. Sie hat hauptsächlich als Schutz vor Staub und Schmutz gedient. Bei Terminal 6 gibt es einen überdachten Fahrradparkplatz, und das Beste daran ist, dass man dort beliebig lang kostenlos parken kann!

Warum nimmst Du nicht das Auto?
Ich bin in Los Angeles geboren und aufgewachsen. Hier wird einem schon von klein auf beigebracht, dass man ein Auto braucht, um von A nach B zu kommen. Das ist einfach die Kultur. Ich habe das jahrelang nicht hinterfragt. Auch ich bin peinlicherweise zwei Blocks zum Supermarkt gefahren, nur um mich dann aufzuregen, dass es nicht genug Parkplätze gibt. Aber vor ungefähr zehn Jahren hat sich alles geändert.

Und aus welchem Grund?
Ich habe aus verschiedenen Gründen mein Fahrrad entstaubt und versucht, eine Woche lang durch die Stadt zu fahren, ohne dabei zu sterben. Schon am zweiten Tag war ich völlig süchtig nach dem Gefühl, das ich auf dem Fahrrad hatte – sowohl geistig als auch körperlich. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich nie im Stau stand und nie einen Parkplatz suchen musste. Das sind die zwei größten Ärgernisse der Leute hier. Nach einer einjährigen Testphase bin ich dann komplett auf das Fahrrad als Fortbewegungsmittel umgestiegen.

Warum nutzen deiner Meinung nach nicht mehr Menschen in L. A. das Fahrrad?
Die Infrastruktur ist der Knackpunkt. Mit sicheren Fahrradwegen und etwas Fantasie könnte Los Angeles die beste Fahrradstadt der Welt sein! Das Wetter ist hier ausgesprochen gut, alles ist relativ flach, und im Durchschnitt legen die Leute pro Tag höchstens 5 Kilometer zurück. Was fehlt, ist eine Infrastruktur, die den Menschen das Gefühl gibt, dass sie mit dem Fahrrad auf dem Weg durch die Stadt nicht sterben werden.

Warum hast Du dich für das Load 75 HS entschieden?
Ich habe drei Kinder, deshalb brauche ich eine große Box. Außerdem ist mir die Geschwindigkeitsbegrenzung von 32 km/h bei Fahrrädern der Klasse 1 zu langsam, und der Straßenbelag in L. A. ist suboptimal. Aus diesem Grund wollte ich ein Cargo-Bike der Klasse 3 mit Federgabel. Da gab es nur eine Wahl: das Load 75. Nach einer 5-minütigen Probefahrt war ich Feuer und Flamme: Das war genau das, wonach ich gesucht hatte. Einfach ein phänomenales Bike.

Gibt es so etwas wie eine Cargo-Bike-Community?
In L. A. hat sich eine neue Gruppe namens „LA Families Bike“ gegründet, die aus Familien mit elektrischen Cargo-Bikes besteht. Aber die Mitgliederzahl ist bislang überschaubar. Wenn man mit dem Load durch L. A. fährt, fühlt man sich wie ein Star – viele haben so ein Fahrrad noch nie gesehen. Die Leute halten dann an und stellen Fragen. Manche wollen den Preis wissen, und wenn ich ihn nenne, sagen einige: „So viel für ein Fahrrad. Verrückt!“ Aber wenn ich ihnen sage, dass das mein Autoersatz ist, und sie mal darüber nachdenken sollten, wie viel sie für ihre Autos, Benzin, Versicherung, Parken usw. ausgeben, dann sieht die Sache schon anders aus. Viele lassen sich aber trotzdem nicht überzeugen. Fahrräder werden immer noch nicht als echte Verkehrsmittel angesehen. Für mich ist das Fahrrad die bessere Wahl, weil ich nie im Stau stehe, immer einen kostenlosen Parkplatz finde und es dazu noch Spaß macht.

Du bist einer der Gründer der politische Aktionsgruppe „Streets For All“. Was kann man als Einzelperson tun, um mehr Bewusstsein für Fahrräder zu schaffen?
Mitglied werden und Politik machen. Ich wurde in meinen Nachbarschaftsrat gewählt und bin Vorsitzender unseres Verkehrs- und Nachhaltigkeitsausschusses. So kann ich in meinem Stadtteil ein bisschen Einfluss ausüben. Außerdem bin ich Mitglied des Beratenden Ausschusses für Fahrradwesen von Los Angeles und sitze im Nachhaltigkeitsrat der Metro, unserer regionalen Verkehrsgesellschaft, die unsere Busse und Züge betreibt. Aber „Streets for All“ ist meine größte Leidenschaft. Ich arbeite mit tollen Menschen zusammen, die daran glauben, dass die Straßen von Los Angeles für alle Verkehrsmittel sicher sein sollten.

Auch für Autos?
Wir sind nicht gegen Autos und haben sogar eins in unserem Logo. Wir sind nur der Meinung, dass Autos nicht wie jetzt 99 % des Platzes einnehmen sollten und dass man beim Fahrradfahren nicht sein Leben riskieren sollte. Autos haben so viel Zerstörung in die Städte gebracht. Ich reagiere fast allergisch darauf, ein Auto zu benutzen – außer für Langstrecken. Das Fahrrad ist fast immer die bessere Option, um sich in Los Angeles fortzubewegen. Wir brauchen nur eine Infrastruktur, die das Potenzial ausreizt. Dann werden wir an Städten wie Amsterdam, Kopenhagen, Berlin, Bogotá und London vorbeiziehen.

Vielen Dank für das Gespräch, Michael.

  • Über „Streets For All“

    „Streets For All“ ist eine politische Organisation, die sich für eine bessere Infrastruktur einsetzt und die Mobilität in L. A. neu denkt. Mit zahlreichen Initiativen und Kampagnen zielt sie darauf ab, alle Verkehrsmittel zu verbessern. Das Programm reicht von der Verbesserung einzelner Straßenzüge über die Einrichtung geschützter Fahrrad- und Busspuren bis hin zur Ausarbeitung von Gesetzen auf Bundesstaatsebene.

    Mehr Informationen: streetsforall.org

     

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