Krakau, Polen: Mit dem Cargo-Bike bis vor den Kühlschrank.
01.11.2023 | Unterwegs in ...
Anna und Napoleon leben in Krakau – ohne Auto. Ihr Cargo-Bike, ein Load 60, ist aus ihrem Alltag schon lange nicht mehr wegzudenken. Jetzt wollen sie auch anderen Eltern helfen, das richtige Transportmittel zu finden.
Hallo Anna und Napoleon. Ihr wohnt in Krakau. Wie sah euer Leben aus, als ihr das Cargo-Bike noch nicht hattet?
Anna: Vor ein paar Jahren haben wir noch das alte Auto meiner Eltern genutzt. Wir wohnten damals im Stadtzentrum und hatten immer Probleme mit der Parkplatzsuche. Zu dieser Zeit habe hauptsächlich ich das Auto gefahren, und ich fand die Suche immer sehr stressig. Das artete bei mir schon fast in Panik aus, sodass ich oft einfach auf der anderen Flussseite in der Nähe meiner Eltern geparkt habe. Ungefähr zu dieser Zeit begriffen wir, dass es eigentlich keinen Sinn macht, ein Auto zu haben, wenn es auf der anderen Seite des Flusses steht.
Und was war die Lösung?
Anna: Ein Umstieg aufs Fahrrad. Das war uns beiden schnell klar. Aber kurz nachdem wir uns von dem Auto getrennt hatten, erfuhren wir, dass ich schwanger war. Das veränderte natürlich alles! Wie würden wir die Wege mit unserem Kind zurücklegen, z. B. zum Kinderarzt für die Vorsorgeuntersuchungen? Dann erzählte mir mein Partner von Cargo-Bikes. Er zeigte mir das Konzept, und ich sagte sofort: „Probieren wir es aus!“ Unser Sohn war damals 3 Monate alt.
Napoleon: Das Cargo-Bike ist für uns einfach ideal. Wir nutzen es, um unseren Sohn von A nach B zu bringen, für den Weg zur Arbeit und auch in der Freizeit. Eigentlich in allen Lebensbereichen. Gestern sind wir mit dem Load sogar zu einem Konzert in der Philharmonie gefahren. Und es ist auch für meine Arbeit als Fotograf sehr hilfreich. Es gibt viele Orte im Stadtzentrum von Krakau, die wunderschöne Fotomotive abgeben und die ich mit dem Auto gar nicht erreichen könnte. Aber mit dem Cargo-Bike komme ich ganz einfach hin und kann damit sogar noch meine ganze Fotoausrüstung transportieren.
Ihr betreibt auch eine Website zum Thema Radfahren mit Kindern und organisiert Workshops. Wie kam es dazu?
Anna: Als ich schwanger war und wir beschlossen, das Auto abzuschaffen, sagten alle: Das geht nicht, man kann doch nicht mit Kind ohne Auto leben. Und dann hatten wir das Load und wurden auf der Straße angesprochen und gefragt: Was ist das? Habt ihr das selbst gebaut? Wo kann ich das kaufen?
Napoleon: Da war uns klar, dass wir anderen Menschen mehr über die vielen Möglichkeiten erzählen möchten, die sich mit Cargo-Bikes und Fahrradanhängern erschließen. Wir haben beide den Drang, andere Menschen mit den Themen zu behelligen, die uns beschäftigen. (lacht) Zuerst haben wir ein Treffen für Nachbarn und Freunde organisiert, bei dem sie verschiedene Cargo-Bikes und Anhänger ausprobieren konnten. Danach haben wir eine Website eingerichtet und stundenlang Fragen beantwortet und Blogbeiträge verfasst. Das Interesse und die Resonanz waren riesengroß.
Erzählt uns ein bisschen mehr über Krakau.
Anna: Krakau ist eine der ältesten Städte Polens und – meiner Meinung nach – die schönste mittelalterliche Stadt Europas. Sie hat rund 800.000 Einwohner und ist immer sehr voll, vor allem im historischen Stadtzentrum mit seinen engen Gassen, das bei Touristen sehr beliebt ist. Ein Großteil des Zentrums ist nur für Fußgänger zugänglich. Eine Ausnahme bilden Taxis, Lieferverkehr und Fahrräder. Der Stadtrat setzt diese Strategie immer stärker durch. Und die Stadt ist größtenteils flach, nur ein Stadtteil hat einen steilen Anstieg.
Also perfekte Bedingungen fürs Radfahren.
Anna: Ja, wir haben auch andere große polnische Städte mit dem Fahrrad besucht: Warschau, Danzig, Breslau, Kattowitz. Aber Krakau ist definitiv die beste Stadt, wenn man vom Auto auf das Fahrrad umsteigen möchte. Der Radverkehr nimmt zu, und die Radfahrer bilden in der Stadt inzwischen eine starke Gruppe. Es ändert sich für sie und uns vieles zum Positiven, denn es gibt sowohl im Stadtzentrum als auch in den Vororten immer mehr Radwege. Wir haben wunderschöne Radstrecken am Fluss: vom Osten der Stadt in den Westen fährt man hauptsächlich am Fluss entlang. Und wir haben jetzt sogar eine perfekte Radroute zu unserem IKEA! Fahrräder werden eine immer größere Rolle spielen, wenn es vernünftige Radwege gibt.
Ihr fahrt ein Load 60 in tundra grey und nennt es euer „Krokodil“. Warum habt ihr euch gerade für dieses Fahrrad entschieden?
Napoleon: Ich habe fast alle Cargo-Bikes getestet, die in Polen erhältlich sind. Am Ende habe ich mich für das Load entschieden, weil es eine Vollfederung hat und irgendwo zwischen einem sportlichen Fahrrad und einem Hollandrad mit aufrechter Sitzposition liegt. Außerdem ist es kompakt. Wir können es gut im Zug mitnehmen. Und es passt in unseren Fahrstuhl.
Nehmt ihr das Load 60 mit in eure Wohnung?
Anna: Ja! (lacht) Wir packen die Einkäufe gerne direkt in unserer Küche aus. Wir nehmen das Load also mit in den Fahrstuhl und dann direkt in unsere Wohnung. So können wir unsere Einkäufe direkt vom Load in den Kühlschrank packen. Durch ein Cargo-Bike ändert sich das Leben nicht nur, es wird auch einfacher.
Danke für das Gespräch, Anna und Napoleon.
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Krakau arbeitet an einem Plan für nachhaltige Mobilität, um den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern. Die Maßnahmen umfassen unter anderem eine Stärkung der Radinfrastruktur und die Einrichtung einer Umweltzone nach dem Vorbild anderer europäischer Städte.
Für den Radverkehr hat die Stadt im Jahr umgerechnet mehr 4 Millionen € bereitgestellt – z. B. für den Aus- und Neubau von Radwegen und überdachten Fahrradstellplätzen. Mit lokalen Kampagnen sollen zudem mehr Menschen dazu bewegt werden, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu pendeln.
Dafür bietet die Stadtverwaltung immer wieder kostenlose Fahrradchecks an und erlaubt die kostenlose Mitnahme in Bus & Bahn. Um noch mehr Menschen aufs Rad zu bewegen, soll 2023 außerdem ein Langzeit-Fahrradverleih starten. Aktuell gibt es in Krakau gut 270 Kilometer Fahrradwege.
Weitere Informationen: https://ztp.krakow.pl/en/cycling